Das spanische Hypothekenvollstreckungsverfahren widerspricht Unionsrecht

Die spanische Rechtsordnung verbietet dem für die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel in einem Hypothekendarlehensvertrag zuständigen Gericht die Aussetzung der in einem anderen Rechtsweg eingeleiteten Hypothekenvollstreckung. Dies widerspricht Unionsrecht, wie der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache C-415/11 am 14. März entschieden hat.

Die Interessenvereinigung der von Hypotheken Betroffenen hatte bereits erklärt, dass die laufenden Hypothekenvollstreckungsverfahren von Amts wegen unverzüglich gestoppt werden müssen, weil die diesbezüglichen Vorschriften illegal sind. Das Urteil verleiht den Gerichten wichtige Handlungsbefugnisse in den laufenden Verfahren. Die Feststellung der Missbräuchlichkeit des Verfahrens eröffnet Wege, sich auf die Nichtigkeit der bisher angestrengten Verfahren zu berufen.

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerischtshofs

Das Schutzsystem der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln stützt sich darauf, dass die Verbraucher in einer schwächeren Position sind als der Gewerbetreibende, der sie dazu bringt, einem Vertragsinhalt zuzustimmen, der vollständig von ihm verfasst wurde.

Deshalb schreibt die Richtlinie zwingend vor, dass missbräuchliche Klauseln für die Verbraucher unverbindlich sind. Damit versucht sie, die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so deren Gleichheit wiederherzustellen.

Dem zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden bestehenden Ungleichgewicht kann nur durch eine positive Intervention durch eine den Vertragsparteien fremde Stelle abgeholfen werden. So muss das innerstaatliche Gericht sogar von Amts wegen die Missbräuchlichkeit der nicht ausgehandelten Klauseln beurteilen und auf diese Weise das zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden bestehende Missverhältnis zu beheben.

Das Urteil des Eugh

In seinem Urteil in der Rechtssache C-415/11 stellt der Europäische Gerichtshof zunächst fest, dass die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln einer innerstaatlichen Vorschrift wie der fraglichen spanischen Regelung widerspricht, die es dem im Erkenntnisverfahren, also in dem Verfahren, dessen Gegenstand die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel ist, zuständigen Gericht nicht erlaubt, vorläufige Maßnahmen anzuordnen, insbesondere nicht die Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens, wenn diese Maßnahmen notwendig sind, um die vollständige Wirksamkeit der Endentscheidung zu gewährleisten.

Einleitend weist der Gerichtshof darauf hin, dass mangels einer Vereinheitlichung der nationalen Zwangsvollstreckungssysteme die Modalitäten für die Geltendmachung der im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens zulässigen Einwendungen und für die Wahrnehmung der Befugnisse des Gerichts des Erkenntnisverfahrens unter die innerstaatliche Rechtsordnung der Mitgliedstaaten fallen. Diese Rechtsordnung darf jedoch nicht ungünstiger sein als diejenige, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzprinzip), und dass sie die Ausübung der den Verbrauchern durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren darf (Effektivitätsprinzip).

Hinsichtlich dieses letztgenannten Prinzips kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass das spanische Prozessrecht die Wirksamkeit des von der Richtlinie beabsichtigten Schutzes beeinträchtigt. Dies kommt in allen Fällen vor, in denen die Vollstreckung einer Immobilie stattfindet, bevor das in dem Erkenntnisverfahren entscheidende Gericht die Vertragsklausel, auf der die Hypothek beruht, als missbräuchlich rügt und damit die Nichtigkeit des Vollstreckungsverfahrens feststellt. Weil nämlich das Gericht, das in dem Erkenntnisverfahren entscheidet, keine Möglichkeit hat, das Vollstreckungsverfahren auszusetzen, kann eine Feststellung der Nichtigkeit dem Verbraucher nur einen nachgelagerten, lediglich in Schadensersatz bestehenden Schutz sicherstellen.

Ein derartiger Schadenersatz erweist sich als unvollständig und unzureichend und stellt weder ein angemessenes noch ein wirksames Mittel dar, um der Verwendung dieser Klauseln ein Ende zu setzen. Dies gilt umso mehr, wenn der Gegenstand, der mit der hypothekarischen Sicherheit belastet ist, wie in diesem Fall die Wohnung des geschädigten Verbrauchers und seiner Familie ist, weil diese Verbraucherschutzregelung, die auf die Zahlung von Schadensersatz beschränkt ist, den endgültigen und nicht rückgängig zu machenden Verlust der genannten Wohnung nicht verhindern kann. Demnach könnten die Gewerbetreibenden den Verbrauchern den mit der Richtlinie beabsichtigten Schutz schon dadurch entziehen, dass sie ein solches Hypothekenvollstreckungsverfahren betreiben.

Deshalb hat der Gerichtshof festgestellt, dass die spanische Regelung nicht mit dem Effektivitätsprinzip vereinbar ist, soweit sie in den Hypothekenvollstreckungsverfahren, die von Gewerbetreibenden betrieben werden und in denen die Verbraucher die Beklagten sind, die Sicherstellung des Schutzes, der den Verbrauchern mit der Richtlinie gewährt werden soll, unmöglich macht oder übermäßig erschwert.

Dieser Beitrag ist micht als Rechtsberatung zu verstehen

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