Die Wahrheit hinter Offshore-Unternehmen

Offshore-Unternehmen werden mit dem Ziel gegründet, Geschäfte in ausländischen Staaten zu führen, zu registrieren, zu betreiben oder auf andere Weise durchzuführen. Unter diesen ausländischen Staaten versteht man jeden Staat außerhalb des Staates, in dem das Unternehmen ursprünglich gegründet wurde und/oder in dem die Anteilseigner und die Geschäftsführung ihren Wohnsitz haben. Sie werden üblicherweise gegründet, um finanzielle, rechtliche und steuerliche Vorteile zu erlangen. Wenn ein Unternehmen sich neu aufstellt oder seinen Sitz ins Ausland verlagert, kann es Verträge schließen, Bankkonten eröffnen, Eigentum innehaben, erwerben und verkaufen, was letztlich gleich ist wie bei jedem anderen Unternehmen.

Viele Individuen und Unternehmen nutzen Offshore-Unternehmen, um Steuern zu reduzieren, Risiken zu managen, die Privatsphäre zu schützen, Vermögen zu bewahren oder zu mehren und/oder, Kosten zu reduzieren.

Gesellschaftsformen und Orte der Offshore-Unternehmen

Unternehmen mit einem Sitz in einer Steueroase bieten Individuen oder Unternehmen eine lediglich geringe oder sogar keine Steuerpflicht an, was bedeutet, dass sie die hohen Steuern ihres Heimatstaates nicht zahlen müssen (es sei denn, sie üben ihre Geschäftstätigkeit auch in ihrem Heimatstaat aus). Es gibt vier GesellschVorschauaftsformen von Offshore-Unternehmen, die für eine Gründung in Betracht kommen: die International Business Company, Private Limited Company, Limited Liability Company und Global Business Company.

Welches der am besten geeignete Ort ist, ein solches Unternehmen aufzubauen, ist durch die damit verfolgten Ziele bedingt. Größere, relativ diversifizierte Unternehmen könnten davon profitieren, nach Hong Kong oder Singapur zu gehen, wo sie lediglich geringe Steuern zahlen müssten, aber Zugang zu Banken und anderen Geldgebern behalten. Ein kleineres Unternehmen könnte ein Interesse daran haben, sich in einem Staat mit niedrigen Anforderungen an das Rechnungswesen und keinerlei Besteuerung niederzulassen. Obgleich die Sitzverlagerung oder die Gründung eines Offshore-Unternehmens vollständig legal ist, geschieht dies oft, um Steuern zu vermeiden, zu hinterziehen oder Betrug zu begehen.

Einschätzung des Europarats zur Offshore-Finanzsystemen

Die parlamentarische Versammlung des Europarats hat jüngst Folgendes verlautbaren lassen: Mitgliedstaaten des Europarates verlieren jährlich Milliarden durch Steuervermeidung, Steuerhinterziehung und Steuerbetrug, die durch das Offshore-Finanzsystem inklusive ihrer Steueroasen und Rechtssysteme mit einem ausgeprägten Bankgeheimnis gefördert werden. Der massive Steuerbetrug durch wohlhabende Individuen und Unternehmen bestraft nicht nur gewöhnliche Steuerzahler, die öffentlichen Finanzen und das Sozialsystem, sondern stellt auch eine Bedrohung für gute Regierungsführung, makroökonomische Stabilität und den sozialen Zusammenhalt dar. 

Steuerhinterziehung und Steuervermeidungsstrategien

Offshore-Unternehmen, die in Steueroasen entweder illegale Steuerhinterziehung oder Verrechnungspreisgestaltung oder andere, legale Steuervermeidungsstrategien betreiben,  profitieren massiv von den Staaten, in denen sie aktiv sind, etwa im Hinblick auf die Nutzung öffentlicher Dienstleistungen und Infrastruktur. Im Gegenzug profitieren Steueroasen oftmals in wirtschaftlicher Hinsicht, etwa in Bezug auf die Schaffung von Arbeitsplätzen in ärmeren Staaten. Jedenfalls hat die Inanspruchnahme von Steueroasen und die damit verbundene Steuervermeidung negative Effekte auf den Umsatz der EU, da die Bruttoinlandsprodukte der Mitgliedstaaten verringert werden. Überdies führen die geringeren Steuereinnahmen der Mitgliedstaaten dazu, dass diese weniger gewillt sind, ihre Beiträge an die EU aufrechtzuerhalten oder gar zu erhöhen.

EU veröffentlicht Liste mit Steueroasen

Die EU hat daher Anstrengungen unternommen, gegen Unternehmen, die versuchen, Steuern zu vermeiden, durchzugreifen. Die EU hat im Juni 2015 eine Liste mit internationalen Steueroasen veröffentlicht, die Hongkong, Brunei, die Cayman Islands, British Virgin Islands und Panama beinhaltet.

EU-Vorschlag zu Anti-Steuervermeidungs-Richtlinie

Der Vorschlag zu einer Anti-Steuervermeidungs-Richtlinie der EU zielt auf Steuerzahler, die gegen den Gesetzeszweck agieren, indem sie die Vorteile der Unterschiede zwischen verschiedenen nationalen Steuersystemen nutzen, um ihre Steuerschuld zu minimieren. Die Europäische Kommission hat kürzlich bekannt gegeben, dass sie Maßnahmen zusammenträgt, welche die am meisten verbreiteten Steuervermeidungsmethoden blockieren können. In diesem Zusammenhang sollen an die Mitgliedstaaten Empfehlungen zur Verhinderung des Missbrauchs von Besteuerungsabkommen ebenso wie solche zum Austausch steuerrelevanter Daten über multinationale Unternehmen abgegeben werden. Daneben werden neue Verfahren zur Listung von Drittstaaten vorgeschlagen, die sich weigern, sich an fair-play-Regeln zu halten.

Kosten der Steuervermeidung für EU-Mitgliedsstaaten

Das Europäische Parlament schätzt, dass die Steuervermeidung durch multinationale Unternehmen die Mitgliedstaaten etwa 70 Milliarden Euro pro Jahr kostet. Die Bemühungen der EU, Steueroasen zu bekämpfen, werden durch die Tatsache beeinträchtigt, dass einige Mitgliedstaaten selbst in zweifelhafte Praktiken involviert sind. Steueroasen haben sich als schwierig zu beeinflussen herausgestellt. Es ist überdies nicht nur in der EU, sondern auch außerhalb derselben ein Mangel an Bereitschaft zu konstatieren, diese Steueroasen zu eliminieren, da einige Staaten historisch mit Steueroasen verwoben sind. Wenn die EU es schafft, das Verhalten der Bürger und Unternehmen, die in der EU agieren, zu beeinflussen, so könnten die schädlichen Folgen der Steueroasen reduziert, wenn nicht sogar gänzlich vermieden werden.

Die europäischen Bürger und Unternehmen, die sich an die fair-play-Regeln halten, sind diejenigen, die letztlich unter der Steuervermeidung der Anderen leiden, indem sie als Ausgleich für die entgangenen Steuerzahlungen nun umso höhere Steuern zahlen müssen. Die Milliarden Euro, welche jährlich durch Steuervermeidung verloren gehen, könnten in die Verbessrung der mitgliedstaatlichen Daseinsvorsorge, die Arbeitsmarktpolitik sowie wirtschaftliches Wachstum investiert werden.

Jade Edment & Karl Lincke

Karl H. Lincke, Partner der Kanzlei, hat Rechtswissenschaften studiert und ist auf Mergers & Acquisitions, Gesellschaftsrecht und TMT spezialisiert. Arbeitssprachen: Spanisch, Deutsch und Englisch. Bitte zögern Sie nicht Karl Lincke zu kontaktieren, wenn Sie eine Anfrage diesbezüglich stellen möchten.