Modifikation von Ausschreibungsbedingungen in öffentlich-rechtlichen Vergabeverfahren in Spanien

In öffentlich-rechtlichen Vergabeverfahren in Spanien richten sich die späteren Vertragsbedingungen grundsätzlich nach den zu Beginn des Vergabeverfahrens veröffentlichen Ausschreibungsbedingungen.

Wichtig ist zu beachten, dass i.d.R. nicht die Möglichkeit besteht, die Ausschreibungsbedingungen oder sonstige vertragliche Bedingungen vor oder nach Abschluss des Vergabeverfahrens auszuhandeln. Dies ist ggf. nur im sogenannten verhandelten Verfahren und in dem in den Ausschreibungsbedingungen bestimmten Rahmen möglich, zusätzlich können gesetzliche Bestimmungen gelten.

Eine häufige Konfliktquelle besteht darin, die vertragliche Bindung an die Ausschreibungsbedingungen bei Teilnahme an einem Vergabeverfahren zu unterschätzen. Daher ist es wichtig, die Ausschreibungsbedingungen vor Teilnahme an dem Verfahren sorgfältig und unter Berücksichtigung anwendbaren Rechts zu prüfen. Zudem ist zu beachten, dass nach Erteilung des Zuschlags nur eine bedingte Möglichkeit besteht, das Vertragsverhältnis zu lösen.

Grundsätzlich kann in bestimmten Fällen eine Modifikation von Ausschreibungsbedingungen sein. Dies an ein besonderes Verfahren und strenge Fristen geknüpft.

Möglichkeiten der Modifikation von Ausschreibungsbedingungen

Im Wesentlichen unterscheidet das spanische Recht drei Fälle hinsichtlich der Modifikation bereits veröffentlichter Ausschreibungsbedingungen für die Vergabe öffentlich-rechtlicher Verträge:

  • Die Korrektur geringfügiger materieller, arithmetischer oder tatsächlicher Fehler. In diesen Fällen kann die Modifikation kann das Vergabeorgan von Amts wegen oder auf Antrag jederzeit durchgeführt werden. Die Rechtsprechung interpretiert die Anwendbarkeit dieser Rechtsgrundlage restriktiv, wobei die Geringfügigkeit des Fehlers besonders relevant ist. In diesem Zusammenhang ist besonders relevant, dass die Anwendung dieser Korrekturmöglichkeit nicht als Vorwand für eine substanzielle Änderung der Ausschreibungsbedingungen führen darf.
  • Die wichtige Modifikation der allgemeinen Ausschreibungsbedingungen (Pliego de Cláusulas Particulares). Diese Variante erfordert grundsätzlich eine Verlängerung der Frist zur Abgabe von Angeboten, beziehungsweise zur Beantragung der Teilnahme am jeweiligen Vergabeprozess. Diese Variante wird u.A. im Falle einer Fehlerkorrektur angewendet, wenn der Fehler nicht als geringfügig gewertet werden kann und durch die Modifikation die Grundprinzipien des Vergaberechts betroffen sind (Publikationsprinzip, Gleichheitsprinzip, Wettbewerbsprinzip, etc.).
  • Die substanzielle Modifikation der Ausschreibungsbedingungen. Die substanzielle Modifikation erfordert eine Zurücksetzung des Vergabeprozesses, welcher vollständig und von Anfang an neu abzuwickeln ist.

Der substanzielle Charakter einer Modifikation wird im Einzelfall und unter Einbezug verschiedener Kriterien beurteilt. Neben der Art und dem Umfang der Veränderung kann in einigen Fällen z.B. auch auf den Durchführungsstatus des Vergabeverfahrens abgestellt werden.

Nichtigkeit der Modifikation der Ausschreibungsbedingungen

Das spanische Vergaberecht richtet sich nach den Prinzipien der Gleichheit, Transparenz und Publizität. Öffentlich-rechtliche Verträge, welche z.B. aufgrund von nicht korrekt publizierten Ausschreibungsbedingungen vergeben wurden, sind nichtig. Dies ist ebenfalls im Fall der Modifikation von Ausschreibungsbedingungen anwendbar. Insbesondere gilt, dass sowohl Korrekturen von Fehlern als auch inhaltliche Modifikationen auf dieselbe Art und Weise publiziert werden müssen wie die ursprünglichen Ausschreibungsbedingungen.

Anfechtungsverfahren

In manchen Fällen existiert die Möglichkeit eines speziellen verwaltungsrechtlichen Vergabeaufsichtsverfahrens vor der zuständigen zentralen Vergabeaufsichtsbehörde. Ein wesentlicher Vorteil liegt in der Fachkompetenz der zentralen Vergabeaufsichtsbehörde sowie in der Aussetzung des weiteren Vergabeverfahrens bis zur Beendigung des Vergabeaufsichtsverfahrens.

Die Zulässigkeit des Verfahrens ist abhängig von verschiedenen gesetzlichen Bedingungen, welche sich insbesondere nach der Art und dem Wert des Vertrags richten.

Wichtig ist, die besondere Frist zur Einleitung des Verfahrens zu beachten. Diese beträgt grundsätzlich 15 Werktage ab dem Zeitpunkt des angefochtenen Verwaltungsaktes, bzw. seit dem Zeitpunkt, an dem der Verstoß bekannt ist. In bestimmten Ausnahmefällen kann aufgrund der Nichtigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages eine längere Frist gelten.

Im Zusammenhang mit Ausschreibungsbedingungen und Ihrer Modifikation gilt diese Frist ab dem Verwaltungsakt, welcher angefochten wird. Falls z.B. eine rechtswidrige Modifikation von Ausschreibungsbedingungen angefochten werden soll, ist es i.d.R. nicht möglich, erst den Ausgang des Vergabeverfahrens abzuwarten – die Frist ist dann erloschen. Ebenso können ggf. ungültige Ausschreibungsbedingungen nicht erst im Rahmen – oder gar nach Abschluss – des Vergabeverfahrens angefochten werden.

Die Frist gilt nicht für die Anfechtung reiner Vergabeverfahrensdefekte. Im solchen Fällen kann eine Anzeige an das jeweilige Vergabeorgan oder an die zuständige Vergabeaufsichtsbehörde erfolgen – der Verfahrensfehler kann aber im Rahmen einer späteren Anfechtung des Vergabebescheids (acto de adjudicación) geltend gemacht werden.

Im Einzelfall ist sorgfältig abzuwägen, ob ein solcher reiner Verfahrensdefekt vorliegt. In der Praxis ist es ratsam, im Zweifel umgehend zu handeln, da es vorkommen kann, dass später aus rechtlicher Sicht keine Handlungsmöglichkeiten mehr bestehen.

Pia V. Kohrs

Falls Sie weitere Informationen über die Ausschreibungsbedingungen in öffentlich-rechtlichen Vergabeverfahren in Spanien benötigen,

Dieser Beitrag ist nicht als Rechtsberatung zu verstehen

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