Rechtsmittel gegen die Kürzung von Einspeisevergütungen in Spanien

Am Transatlantischen Freihandelsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership, kurz: TTIP) werden vor allem Schutzrechte für ausländische Investoren und die Zuständigkeit von inernationalen Schiedsgerichten bemängelt. Betrachtet man den Kampf vieler internationaler Investoren gegen das Königreich Spanien wegen gesetzlich zugesicherten (und teilweise rückwirkenden) nicht ausgezahlten Einspeisevergütungen, kann man sehen, dass solche Regelungen durchaus ihre Berechtigung haben.

Besonders Spanien galt als eines der führenden Länder zur Förderung erneuerbarer Energien: nach dem Aktionsplan für erneuerbare Energien in Spanien 2011-2020 (PANER) sollten diese bis 2020 alleine 20% des Energiekonsums ausmachen.

Die EU-Richtlinie 2001/77/EG lässt den Mitgliedsstaaten im Hinblick auf das Förderungssystem freie Wahl, um den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoinlandsenergieverbrauch zu steigern. Das dominierende Förderungssystem ist jedoch das Einspeisevergütungssystem, für welches sich auch Spanien entschieden hat. Nach dem Gesetz über den Elektrizitätssektor (LSE) vom 27. November 1997 unterliegen Produzenten erneuerbarer, nicht für den Verbrauch bestimmter Energien speziellen Vorschriften, welche eigene Pflichten auferlegen und besondere Rechte vorsehen, unter anderem der Erhalt einer Vergütung (Art. 30.4 LSE).

Aufgrund der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise ab 2007 mussten viele Migliedsstaaten jedoch drastische Kürzungen vornehmen, was vor allem Einsparungen im Bereich der erneuerbare Energien zur Folge hatte. Auch Spanien musste infolge des Haushaltsdefizits Kürzungen umsetzen, bis hin zur vollständigen Streichung der Vergütungen für neue Einrichtungen. Dies führte vielerorts zur Existenzbedrohung zahlreicher Unternehmen, an denen auch ausländische Investoren beteiligt waren.

Um gegen die drastischen Maßnahmen vorzugehen, boten sich für Investoren in Spanien drei Möglichkeiten:

  • der Gang vor die nationalen Gerichte,
  • der Gang vor den EuGH oder
  • die Geltendmachung der Forderungen unter dem sog. Energy Charter Treaty.

Die Klagen vor den spanischen Gerichten beriefen sich hauptsächlich auf die Rückwirkungsverbote und Verletzung des Vertrauensschutzes in Entscheidungen der öffentlichen Hand der Art. 2 Abs. 3 des spanischen Zivilgesetzbuchs und Art. 9 Abs. 3 der spanischen Verfassung, wobei diese bisher wenig erfolgreich waren. Nach EU-Recht steht den Investoren außerdem kein unmittelbares Recht gegen innerstaatliche Gesetze der Mitgliedstaaten zu, weshalb der EuGH ebenfalls keine Lösung bot.

Energy Charta Treaty

Lediglich der Energy Charter Treaty (Energiecharta-Vertrag, kurz: ECT) versprach demnach Hoffnung. Der völkerrechtliche Vertrag zum Schutz von Auslandsinvestitionen und Förderung der Energieeffizienz wurde von der überwiegenden Anzahl der europäischen Staaten sowie der EU unterzeichnet und spricht ausländischen Investoren besondere Schutzrechte zu, auf die sie sich vor einem international Schiedsgericht berufen können. Bei der Geltendmachung dieser Rechte können sich jedoch folgende Probleme ergeben:

Aus Sicht der europäischen Kommission ist der ECT nicht auf innereuropäische Streitigkeiten anwendbar, die EU-Kompetenzen betreffen, da folglich die EU richtiger Beklagter sei und dem EU-Recht weiterhin kraft Vereinbarung der Mitgliedstaaten im Jahre 2014 Geltungsvorrang zukomme. Auf der anderen Seite kann argumentiert werden, dass die Auslegung europäischen Rechts auch vor ausländischen Gerichten möglich sei, da sich die Schiedsklagen gerade nicht gegen die EU oder ihre Maßnahmen, sondern gegen einzelne Mitgliedstaaten richten, und die EU den ECT außerdem vorbehaltslos ratifiziert habe. Angesichts dieser Disparität sind die Schiedsgerichte zwecks Vollstreckbarkeit dazu übergegangen, den ECT und EU-Recht harmonisch auslegen, dem EU-Recht aber den Vorrang einräumen.

Zur Inanspruchnahme des durch den ECT gewährten Schutzes muss ein privater Investor in einem anderen Vertragsstaat eine Investition i.S.d. Art. 1 Nr. 6 ECT tätigen. Fraglich ist sodann, ob die entsprechende Kürzung von Einspeisevergütungen auch einen Verstoß gegen den ECT darstellt.

Infrage kommen vor allem zwei Vorschriften:

Faire und gerechte Behandlung, Art. 10 I ECT

Die Enttäuschung legitimer Erwartungen eines Investors gegenüber der Aufrechterhaltung des allgemeinen Rechtsrahmens könnten einer fairen Behandlung entgegenstehen. Legitim ist vor allem eine solche Erwartung, dass eine Rechtsänderung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Grundsätze und nicht einseitig schädigend erfolgt, und ihre Begründung keinen Vorwand darstellt.

Einspeisevergütungen könnten jedoch auch als schützenswert angesehen werden, wenn Anlagebetreibern die Zahlung einer Vergütung gesetzlich oder vertraglich zugesichert wird. Die lange Amortisationsdauer bei erneuerbaren Energien und das Fehlen anderweitiger Absatzmöglichkeiten sprechen eindeutig für ein solches Recht. Schützenswert ist die Position der Investoren auch dann, wenn die neuen Vorschriften gegenüber ausländischen Investoren diskriminierend vollzogen werden, oder die schlechte finanzielle Situation durch andere Kosten verursacht wurde.

Enteignungsverbot, Art. 13 I ECT

Eine direkte oder unmittelbare Enteignung der Investoren liegt bei der Kürzung von Einspeisevergütungen nicht vor, und die Voraussetzungen der indirekten Enteignung sind in der schiedsrichtlichen Praxis noch nicht umfassend geklärt. Zunehmend setzt sich allerdings das Erfordernis eines substantiellen Eigentumsverlusts durch.

Das erste Schiedsurteil, das in diesem Zusammenhang gegen Spanien erging, ist Charanne v Spanien. Aufgrund der im LSE vorgeschriebenen Vergütungen (s.o.), diverser Präsentationen El sol puede ser suyo, und den Vorgaben im Pan für erneuerbare Energien (PER) 2005-2010, richtete sich die Klage gegen die Streichung der Vergütung nach Vollendung des 25. Betriebsjahres und eine Kürzung der vergütungsfähigen Strommengen. Das Schiedsgericht entschied jedoch zugunsten Spaniens: der Staat könne durch sein Rechtssystem keine legitimen Erwartungen nach Art. 10 I ECT erzeugen, insofern ist keine spezifische Vereinbarung geschlossen worden. Ein berechtigtes Interesse im Hinblick auf das Einspeisevergütungssystem wurde lediglich im Minderheitsvotum festgestellt. Auch eine indirekte Enteignung i.S.d. Art. 13 I ECT wurde aufgrund lediglich geringer Verluste, die keinen substantiellen Eigentumsverlust darstellen, abgelehnt.

Es scheint, als würde auch der ECT in dieser Hinsicht keine Rechte für ausländische Investoren begründen. Allerdings sind die in Charanne v Spanien erörterten Maßnahmen im Vergleich zu späteren Kürzungen als geringfügig einzustufen. Außerdem scheint zunehmend anerkannt zu sein, dass ein Staat sich nicht dazu verpflichten kann, seine Rechtsordnung nicht zu ändern. Weiterhin könnte ein Verstoß gegen das Enteignungsverbot im Falle von individueller Existenzbedrohung durchaus vorliegen. Somit scheint das Vorgehen ausländischer Investoren in Spanien gegen die Kürzungen der Vergütungen zukünftig nicht auswegslos zu sein, wenngleich die Möglichkeiten zur effektiven Durchsetzung ihrer Rechte begrenzt sind.

Dieser Beitrag ist nicht als Rechtsberatung zu verstehen

Karl H. Lincke, Partner der Kanzlei, hat Rechtswissenschaften studiert und ist auf Mergers & Acquisitions, Gesellschaftsrecht und TMT spezialisiert. Arbeitssprachen: Spanisch, Deutsch und Englisch. Bitte zögern Sie nicht Karl Lincke zu kontaktieren, wenn Sie eine Anfrage diesbezüglich stellen möchten.