Individualarbeitsrecht in Spanien: Arbeitszeit- und Urlaubsregelung des Arbeitsverhältnisses

Die Arbeitszeit (jornada de trabajo) des Arbeitnehmers kann in weitem Umfang individual- und tarifvertraglich modifiziert werden. Es ist daher stets genau auf den anwendbaren Tarifvertrag zu achten.

Die gesetzlichen Bestimmungen legen allerdings in jedem Fall zu beachtende Mindestanforderungen und Rahmenbedingungen fest. Das arbeitsrechtliche Regelwerk findet dabei grundsätzlich auf alle abhängig Beschäftigten Anwendung, mit Ausnahme von so genannten besonderen Arbeitsverhältnissen (relaciones laborales especiales) wie insbesondere Führungskräfte, Handelsvertreter, Berufssportler- und Heimarbeitsverhältnisse (siehe 2.1.2.3).

Regelarbeitszeit

Die gesetzliche Regelarbeitszeit beträgt im Jahresdurchschnitt 40 Wochenarbeitsstunden. Die konkrete Verteilung der Arbeitszeit auf das Jahr, Wochen und Tage wird üblicherweise durch Tarifvertrag oder im jeweiligen Arbeitsvertrag vereinbart, muss dabei jedoch wiederum die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen beachten. Hierzu zählt insbesondere die Einhaltung der täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten: Jeder Arbeitnehmer hat zwingend einen Anspruch auf eine Ruhezeit von eineinhalb Tagen pro Woche. Grundsätzlich soll dies nach der gesetzlichen Konzeption der Sonntag und entweder Samstagnachmittag oder Montagvormittag sein.

Die tägliche Arbeitszeit darf neun Stunden nicht überschreiten, es sei denn, der anwendbare Tarifvertrag oder eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat trifft eine abweichende Bestimmung. Aber auch dann muss die Mindestruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen beachtet werden: Sie beträgt zwingend 12 Stunden.

Nacht- und Schichtarbeit

Unter Nachtarbeit (trabajo nocturno) versteht man die Beschäftigung des Arbeitnehmers zwischen 22 und 6 Uhr. Für Minderjährige unter 18 Jahren ist sie grundsätzlich unzulässig. Ein Arbeitgeber, der Nachtarbeit in seinem Betrieb einführen möchte, muss das zuständige Arbeitsamt (INEM) davon in Kenntnis setzen.

Auf einen Beschäftigten, den so genannten Nachtarbeiter (trabajador nocturno), der mindestens für die Dauer eines Drittels seiner Jahresarbeitszeit täglich mindestens drei Stunden während der Nachtzeit arbeitet, finden spezielle Schutzvorschriften Anwendung. So darf die tägliche Regelarbeitszeit durchschnittlich acht Stunden nicht überschreiten, bezogen auf einen Zeitraum von 15 Tagen. Der Arbeitgeber ist zudem verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine kostenlose medizinische Untersuchung vor Eintritt in die Nachtarbeit anzubieten, die danach in regelmäßigen Abständen wiederholt werden kann. Nachts Beschäftigte, bei denen gesundheitliche Probleme im Zusammenhang mit der Nachtarbeit auftreten, können überdies verlangen, dass ihnen ein entsprechender, für sie nach ihrer beruflichen Qualifikation geeigneter Tagesarbeitsplatz im Betrieb angeboten wird.

Nachtarbeit ist speziell zu vergüten, in einer Höhe, die der jeweilige Tarifvertrag ausdrücklich festlegen muss. Tarifvertraglich möglich ist es jedoch auch, zusätzliche Ruhezeiten als Ausgleich vorzusehen.

Unter Schichtarbeit (trabajo a turnos) versteht man eine Arbeitsorganisation, nach der die Beschäftigten abwechselnd in einem bestimmten Rhythmus denselben Arbeitsplatz besetzen, so dass sich für den einzelnen Arbeitnehmer innerhalb eines bestimmten Zeitraums jeweils unterschiedliche Arbeitszeiten ergeben. Die Mindestruhezeit zwischen zwei Schichten kann dabei im Einzelfall auf sieben Stunden verkürzt werden, wenn die zu den gesetzlich vorgeschriebenen 12 Stunden fehlenden Stunden an den unmittelbar folgenden Tagen nachgeholt werden. In Unternehmen, in denen der Produktionsprozess über 24 Stunden am Tag läuft, muss sichergestellt sein, dass kein Arbeitnehmer die Nachtschicht für mehr als zwei aufeinander folgende Wochen übernimmt, es sei denn, der Arbeitnehmer bietet dies von sich aus freiwillig an.

Überstunden

Unter Überstunden oder Mehrarbeit (horas extraordinarias) versteht man die Zeit, die der Arbeitnehmer jenseits seiner Regelarbeitszeit – sei sie tarifvertraglich oder in seinem Arbeitsvertrag vereinbart oder, bei deren Fehlen, gesetzlich bestimmt – leistet. Zu beachten ist, dass tarifvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung auch eine abweichende Verteilung der Arbeitszeit möglich ist, die im Einzelfall etwa einer Überschreitung der 40-stündigen Wochenarbeitszeit entgegensteht, wenn gleichzeitig die höchstzulässige Jahresarbeitszeit eingehalten wird.

Höchstüberstundenzahl beachten!

Die jährliche Anzahl von Überstunden ist gesetzlich auf 80 Stunden begrenzt. Dies stellt eine grundsätzlich unüberwindliche Hürde dar: Ein Arbeitsvertrag, der eine höhere Anzahl vorsieht, ist insoweit unwirksam. Ein Arbeitgeber, der dieses Limit überschreitet, muss mit Geldbußen zwischen 300,52 und 3.005,06 EUR rechnen.

Unter bestimmten Voraussetzungen sind unbeschadet dessen Abweichungen vorgesehen bzw. zulässig:

  • Für Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit unter der generell im Betrieb eingeführten liegt, ist die Höchstzeit der zulässigen Mehrarbeit im entsprechenden Verhältnis herabgesetzt.
  • In die Höchstzahl der Überstunden werden Stunden, die zur Verhinderung oder Beseitigung von Unfallfolgen oder anderen außergewöhnlichen und dringenden Schäden geleistet werden, nicht eingerechnet.
  • Ebenfalls nicht eingerechnet werden Stunden, die durch Ruhezeiten innerhalb der nachfolgenden vier Monate ausgeglichen werden.

Innerhalb dieser gesetzlichen Grenzen kann die Leistung von Mehrarbeit tarifvertraglich oder im Arbeitsvertrag vereinbart werden. Der Arbeitnehmer ist darüber hinaus zu Überstunden verpflichtet, um außerordentlichen und dringenden Schäden vorzubeugen oder deren Folgen zu begegnen; diese Überstunden können auch zur Nachtzeit (22 bis 6 Uhr) verlangt werden. Nicht zulässig sind Überstunden insbesondere für Minderjährige unter 18 Jahren und grundsätzlich für nachts Arbeitende und Teilzeitbeschäftigte.

Die Leistung von Überstunden bedarf keiner behördlichen Genehmigung, jedoch hat der Arbeitgeber über diese täglich Buch zu führen und dem Arbeitnehmer deren Gesamtzahl in seiner Gehaltsabrechnung nachzuweisen. Darüber hinaus ist in monatlichen Abständen der Betriebsrat zu informieren. Der anwendbare Tarifvertrag kann hier zusätzliche Voraussetzungen normieren.

Nach der gesetzlichen Konzeption sind Überstunden durch zusätzliche Ruhezeiten in den nachfolgenden vier Monaten auszugleichen. Tarifvertraglich oder im Arbeitsvertrag kann jedoch auch eine Vergütung von Überstunden vorgesehen sein, die nicht unter dem regelmäßigen Stundenlohn liegen darf.

Urlaub und gesetzliche Feiertage

Der jährliche Erholungsurlaub muss mindestens 30 Kalendertage betragen. Er kann grundsätzlich nicht durch eine Entschädigung in Geld abgegolten werden.

Wichtig: Feiertage werden eingerechnet

Abweichend von der deutschen Regelung ist zu beachten, dass in diesen Zeitraum von 30 Kalendertagen auch Sonn- und Feiertage eingerechnet werden. Dies bedeutet beispielsweise, dass ein Arbeitnehmer, der vier Wochen Urlaub nehmen möchte, hierfür 28 Urlaubstage benötigt.

Folgende Tage sind auf nationaler Ebene gesetzliche Feiertage und arbeitsfrei:

  •  1. Januar – Neujahr
  •  6. Januar – Heilige Drei Könige
  •  Karfreitag
  •  1. Mai – Tag der Arbeit
  •  15. August – Mariä Himmelfahrt
  •  12. Oktober – Nationalfeiertag
  •  1. November – Allerheiligen
  •  6. Dezember – Tag der spanischen Verfassung
  •  8. Dezember – Mariä Empfängnis
  • 25. Dezember – Weihnachten

Disziplinarmaßnahmen

Der Arbeitgeber ist berechtigt, gegen den Arbeitnehmer Disziplinarmaßnahmen zu verhängen, wenn dieser gegen gesetzlich oder tarifvertraglich umschriebene Verhaltensanforderungen verstößt. Dabei ist für die Einordnung des Verstoßes und die gegen ihn mögliche Sanktion stets der jeweils anwendbare Tarifvertrag heranzuziehen. Die Rechtsprechung hat die arbeitnehmerseitigen Verstöße nach ihrer Schwere in verschiedene Grade (leichte, schwere und sehr schwere Übertretungen) unterteilt, die mit jeweils unterschiedlichen Maßnahmen des Arbeitgebers, insbesondere mündlichen oder schriftlichen Abmahnungen (amonestaciones) und zeitweiser Aussetzung der Beschäftigung und Vergütung beantwortet werden können. Im Einzelnen ergeben sich die Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers dabei aus dem jeweiligen Tarifvertrag. Grenzen sind diesen dabei gesetzt aus dem Verbot bestimmter Sanktionen, etwa der Kürzung der Urlaubszeit oder der Vergütung, dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit, dem Diskriminierungsverbot und der Unschuldsvermutung.

Die Sanktion muss dem Verstoß grundsätzlich in engem zeitlichen Abstand folgen. Hierfür schreibt das Gesetz bestimmte Fristen vor: So können leichte Übertretungen grundsätzlich nur innerhalb der folgenden zehn Kalendertage, schwere Verstöße innerhalb von 20 und sehr schwere innerhalb von 70 Kalendertagen nach Bekanntwerden der Übertretung gerügt werden.

Für die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen muss ein bestimmter Verfahrensablauf eingehalten werden, der in den meisten Fällen durch den jeweiligen Tarifvertrag im Einzelnen ausgestaltet ist. Der Arbeitnehmer kann in jedem Fall gegen die Sanktion arbeitsgerichtlich vorgehen, indem er innerhalb der auf die Disziplinarmaßnahme folgenden 20 Werktage Klage erhebt. Für den sich anschließenden Arbeitsprozess ist zu beachten, dass der Arbeitgeber die Tatsachen vortragen und beweisen muss, aus denen sich die Übertretung des Arbeitnehmers ergibt und die deren Sanktion rechtfertigen.

Dieser Beitrag ist nicht als Rechtsberatung zu Verstehen

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Karl H. Lincke, Partner der Kanzlei, hat Rechtswissenschaften studiert und ist auf Mergers & Acquisitions, Gesellschaftsrecht und TMT spezialisiert. Arbeitssprachen: Spanisch, Deutsch und Englisch. Bitte zögern Sie nicht Karl Lincke zu kontaktieren, wenn Sie eine Anfrage diesbezüglich stellen möchten.