Kantinenvorschriften in spanischen Unternehmen

Die Kantinenvorschriften enthalten entsprechende Pflichten der Unternehmen in Spanien gegenüber ihren Mitarbeitern. Der Grundtenor der jüngsten Rechtsprechung legt fest, dass Unternehmen die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit von Kantine oder Essenstickets prüfen müssen. Sofern Beschäftigten keine zwei Stunden Zeit zum Mittagessen zur Verfügung stehen oder es von der Hälfte der Belegschaft gefordert wird, ist das Unternehmen verpflichtet eine lokale Kantine einzurichten.

Zusätzlich besteht ein allgemeines Arbeitnehmerrecht auf eine Kantine, sofern ein Unternehmen mehr als 50 Angestellte beschäftigt. Die Kantine kann sich entweder im selben Gebäudekomplex oder in dessen Nähe befinden.

Die genannten unternehmerischen Pflichten sind keine Neuheit. Dennoch wurden sie im Zuge des aktuellen Urteils der Sozialkammer des Höchsten Gerichtshofes des Baskenlandes vom 7. März 2017 thematisiert. Das Gericht untersuchte den kollektiven Konflikt zwischen dem Unternehmen INDRA SISTEMAS S.A. und seinen Angestellten. Erstaunlicherweise traten identische Konflikte beim selben Unternehmen schon in La Coruña 2010 und Erandio 2014 auf.

Die Frage bezüglich des Rechts auf eine Kantine ist für Unternehmen jeglicher Größen und Industriezweige relevant, sofern Arbeitszeitmodelle mit Ruhepausen angeboten werden.
Die im Urteil analysierten rechtlichen Fragestellungen sind zweierlei:

  • Einerseits wurde die heutige Gültigkeit und Anwendbarkeit der vorkonstitutionellen Norm über lokale Kantinen, welche während des spanischen Bürgerkrieges erlassen wurde (Dekret vom 8. Juni 1938 und “Orden de desarrollo” des 30 Juni, im selben Jahr), erörtert.
  • Auf der anderen Seite stand die Frage, ob ein Unternehmen von der Pflicht zur Bereitstellung einer Kantine befreit werden kann, sofern es Räumlichkeiten zur Verfügung stellt, die dem Verzehr bzw. der Erwärmung von mitgebrachten Nahrungsmitteln dienen. So zum Beispiel durch Verkaufsautomaten die Snacks, Sandwiches, Getränke, Kaffee oder vorgekochte Speisen zur Verfügung stellen. Zudem wurde besprochen, ob das Unternehmen von dieser Pflicht befreit ist, wenn für eine breite Mehrheit der Angestellten die Möglichkeit besteht das Essen zuhause oder in umliegenden Restaurants einzunehmen.

Betreffend der ersten analysierten Fragestellung bestätigte das Gericht die vollumfängliche Gültigkeit und Anwendbarkeit der Norm von 1938 betreffend des Rechts auf eine lokale Kantine (Art. 1 und 3 des Dekrets). Anhand der Rechtsprechung lässt sich feststellen, dass die Gerichtshöfe eine Überholung der Norm nicht zulassen, obwohl mittlerweile eine neue Verfassung in Kraft ist.

Bemühungen von Unternehmen, die eine Neuinterpretation der genannten Norm in Anbetracht der Einführung flexibler Arbeitszeiten und Verkaufsautomaten verlangten, waren bisher erfolglos. Auch die Tatsache, dass heutzutage fast alle Unternehmen über zumutbare Verkehrsmittelanbindungen (öffentlich und privat) zu Restaurants oder zum Arbeitnehmerwohnsitz verfügen, lässt eine Aufweichung der Norm nicht zu.

Die Rechtsprechung bringt hervor, dass die Norm aus dem Jahr 1938 aus einer Vielzahl von historischen und sozialen Gründen weiterhin gültig bleibt:

  • Sie wurde niemals aufgehoben (weder ausdrücklich, noch taktisch).
  • Sie wurde nicht durch neuere Gesetzgebungen ersetzt (das Gesetz der Risikoprävention am Arbeitsplatz verweist explizit auf die Bedingungen für Kantinen in Unternehmen).
  • Für den Fall, dass Tarifverhandlungen keine Vorkehrungen in Hinsicht auf die Kantine des Unternehmens treffen (in diesem Fall würde sich die Vorschrift von 1938 in eine ergänzende Vorschrift verwandeln).
  • Die Norm widerspricht nicht den Prinzipien der spanischen Verfassung und begünstigt die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer (gesunde und ausgeglichene Mahlzeiten verbessern das familiäre und persönliche Leben). Zusätzlich birgt die Norm Mitverantwortung, Ruhepausen und bessere Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer.

Bezüglich der zweiten im INDRA-Urteil erörterten Fragestellung, hat der Oberste Gerichtshof des Baskenlandes entschieden, dass Unternehmen regelmäßig nicht von der Pflicht befreit sind eine Kantine bereitzustellen. Dies gilt auch in dem Falle, wenn umliegende Restaurants innerhalb weniger Minuten von den Arbeitnehmern erreicht werden können, oder das Unternehmen einen Raum mit Stühlen, Tischen, Gerätschaften, Kühlschränken und Verkaufsautomaten sowie Mikrowellen ausstattet.

Keiner der zuvor genannten Umstände befreit das Unternehmen von seinen Verpflichtungen. Im Falle, dass das Betreiben einer Kantine wegen Platzmangel, Lizenzgründen oder einer Genehmigung nicht möglich ist, kann das Unternehmen alternativ Essensmarken ausgeben.

Abschließend ist anzumerken, dass die Nichterfüllung der Kantinenvorschriften strafbar ist und durch die Arbeitsbehörde als eine schwerwiegende Verletzung des Art. 7.10 des LISOS mit einer Strafe von bis zu 6.250 € geahndet wird.

Dieser Beitrag ist nicht als Rechtsberatung zu verstehen

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