Das neue Fernarbeits-Gesetz in Spanien

Die aktuelle Gesundheitskrise hat es für Arbeitgeber und Arbeitnehmer notwendig gemacht, sich schnell an ungewöhnliche Situationen anzupassen, für welche bislang keine Erfahrungswerte bestehen. Die Anzahl der Arbeitnehmer, welche die Möglichkeit des Homeoffice nutzen, hat sich in Spanien in den letzten Monaten von 5% auf 34% gesteigert – was bedeutet, dass fast ein Drittel der Beschäftigten die Form der Verrichtung ihrer Arbeit geändert hat.

Bislang regelte bereits Artikel 13 des spanischen Arbeitsgesetzes (Ley del Estatuto de los Trabajadores) die Möglichkeit der Fernarbeit. Jedoch ist diese Regelung sehr knapp und – wie sich gezeigt hat – in der Praxis unzureichend. Die Zunahme dieser Arbeitsform hat es notwendig gemacht, die Regelung der Fernarbeit zu präzisieren um zusätzliche Rechtssicherheit für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu schaffen.

Nach mehreren Monaten der Verhandlungen haben sich das spanische Arbeitsministerium (Ministerio de Trabajo) und die gesellschaftlichen Akteure (Arbeitgebervereinigungen, Gewerkschaften, etc.) über die umstrittenen Punkte des neuen Fernarbeits-Gesetzes geeinigt, insbesondere hinsichtlich der Erstattung von Kosten und des relevanten Prozentsatzes, sowie im Hinblick auf die außergewöhnlichen Lebensumstände während des Covid-19-Alarmzustandes. Schließlich hat das Fernarbeits-Gesetz die Zustimmung von Arbeitgebern und Gewerkschaften erhalten.

Unter anderem regelt das neue Fernarbeits-Gesetz die folgenden wichtigen Punkte:

1. Anwendungsbereich

Das Fernarbeits-Gesetz findet Anwendung auf Arbeitsverhältnisse, welche mindestens zu 30% der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten aus der Ferne erfolgen.

Hingegen findet es keine Anwendung auf Unternehmen, welche die Fernarbeit aufgrund allgemeiner Beschränkungen zur Eindämmung der Covid-19 Pandemie eingeführt haben, solange diese Beschränkungen weiter bestehen. Unternehmen müssen ihren Arbeitnehmern jedoch auch in diesem Fall die notwendigen Arbeitsmittel zur Verfügung stellen und ihnen entstandene Kosten erstatten, sofern sie dies nicht bereits getan haben.

2. Definition der verschiedenen Arten der Fernarbeit; Abgrenzung zur Präsenz-Arbeit

Fernarbeit ist die vom Arbeitnehmer regelmäßig, während der gesamten oder einem Teil seiner Arbeitszeit, von seinem Zuhause oder von einem anderen selbstgewählten Ort aus erbrachte Arbeitsleistung.

Die sogenannte Telearbeit (teletrabajo) ist eine Arbeitsleistung, welche nur mit elektronischen Hilfsmitteln wie Computern und Telekommunikationsmitteln erbracht wird.

3. Gleichbehandlung und Vermeidung von Diskriminierung gegenüber Arbeitnehmern in Fernarbeit

Arbeitnehmer die im Homeoffice arbeiten haben die gleichen Rechte wie Arbeitnehmer mit Präsenz-Arbeit, insbesondere in Bezug auf Aus- und Weiterbildung, Vergütung, Beförderung und Arbeitszeit.

4. Freiwilligkeit der Fernarbeit

Die Fernarbeit ist für den Arbeitnehmer freiwillig.

5. Ausnahmen der Fernarbeit

Fernarbeit kann nicht von Minderjährigen oder von Personen mit Praktikums- oder Ausbildungsvertrag geleistet werden.

6. Vereinbarung der Fernarbeit

Mindestvoraussetzung für die Fernarbeit ist ein schriftlicher Fernarbeits-Vertrag (oder: Homeoffice-Vertrag).

Jede spätere Änderung muss, im gegenseitigen Einvernehmen, durch eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber erfolgen.

7. Vorrangige Gewährung von Fernarbeit

Bestimmte Arbeitnehmerhaben ein vorrangiges Recht auf Fernarbeit. Dies betrifft z.B. Arbeitnehmer, welche ihr Arbeits- und Familienleben in Ausgleich bringen oder ihr Recht auf Stillzeit in Anspruch nehmen wollen, sowie Arbeitnehmer welche Opfer von häuslicher Gewalt oder Terrorismus geworden sind.

8. Rechte von Arbeitnehmern in Fernarbeit

Das Fernarbeits-Gesetz berücksichtigt eine Reihe von Rechten von Arbeitnehmern in Fernarbeit:

  • Recht auf Ausbildung
  • Recht auf berufliche Förderung
  • Recht auf ausreichende Ausstattung mit Medien, Ausrüstung und Werkzeugen
  • Anspruch auf volle Entschädigung von Aufwendungen
  • Recht auf flexible Arbeitszeit
  • Recht auf angemessene Zeiterfassung
  • Anspruch auf Arbeitsschutzmaßnahmen
  • Recht auf Schutz der Privatsphäre und Datenschutz
  • Anspruch auf digitale Ruhezeiten
  • Kollektive Rechte von Menschen in Fernarbeit

Im Wesentlichen haben Arbeitnehmer in Fernarbeit die gleichen Rechte wie solche in Präsenz-Arbeit, mit der Besonderheit der vollen Kostenerstattung. Das Unternehmen muss Kosten erstatten, welche direkt oder indirekt mit der Arbeitsleistung in Zusammenhang stehen und zur Erbringung der Arbeitsleistung erforderlich sind, wie z.B. die Kosten für die angemessene Ausstattung des Arbeitsplatzes.

Die Höhe der Kostenerstattung wird durch den anwendbaren Tarifvertrag und/oder durch den Fernarbeits-Vertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber festgelegt.

9. Fernarbeit aufgrund besonderer Umstände

Unter besonderen Umständen haben Arbeitnehmer das Recht auf Fernarbeit:

  • wenn aufgrund höherer Gewalt in der Familie die Anwesenheit des Arbeitnehmers Zuhause oder an einem anderen selbst gewählten Ort unverzichtbar ist
  • wenn aufgrund höherer Gewalt im Unternehmen der Betrieb in den Geschäftsräumen zeitweise nicht möglich ist

Das Fernarbeits-Gesetz wurde im Eilverfahren durch das Real Decreto-Ley 28/2020 am 22. September verabschiedet und tritt am 12. Oktober, 20 Tage nach der Verkündung im spanischen Amtsblatt BOE in Kraft.

Belén Crego

Dieser Beitrag ist nicht als Rechtsberatung zu verstehen

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