Besondere Arbeitsverhältnisse in Spanien (I): Arbeitnehmerüberlassung, Ausbildungsverträge, Betriebsübergang

Arbeitnehmerüberlassung in Spanien

Unter Arbeitnehmerüberlassung versteht man das Ausleihen eines so genannten Leiharbeitnehmers durch ein verleihendes Unternehmen, meist eine Zeitarbeitsfirma (empresa de trabajo temporal, abgekürzt ETT), an ein entleihendes Unternehmen (empresa usuaria), für das der Arbeitnehmer auf Zeit tätig wird. Damit sind stets drei verschiedene Rechtsbeziehungen zu unterscheiden.

Das verleihende Unternehmen

Die Ausübung gewerblicher Arbeitnehmerüberlassung ist gestattungspflichtig. Die entsprechende Genehmigung unterliegt im Wesentlichen folgenden Voraussetzungen:

  • Das Unternehmen verfügt über eine leistungsfähige und stabile Organisationsstruktur, deren Anforderungen sich insbesondere nach der Art der zu überlassenden Arbeitnehmer richten; Eine spezielle Gesellschaftsform ist nicht erforderlich;
  • Die Tätigkeit des Unternehmens darf sich ausschließlich auf die Arbeitnehmerüberlassung beschränken;
  • Das Unternehmen hat keine ausstehenden steuer- oder sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen;
  • Das Unternehmen muss die Erfüllung der Lohnschulden und der Sozialversicherungsverbindlichkeiten sicherstellen;
  • Die Tätigkeit des Unternehmens darf nur einmal durch eine Sanktion in einer und derselben Angelegenheit eingestellt werden;
  • Der Firmenname des Unternehmens muss den Begriff Zeitarbeitsunternehmen (ETT – empresa de trabajo temporal) enthalten.

Der Leiharbeitnehmer

Der Arbeitsvertrag zwischen dem Verleiher und Leiharbeitnehmer bedarf einer schriftlichen Form. Die Vertragsparteien können sowohl eine unbefristete, als auch eine befristete Zeitdauer des Arbeitsvertrages, die in diesem Fall nicht kürzer als die Frist des Überlassungsvertrages sein darf, vereinbaren. Im Zweifel gilt die gesetzliche Vermutung, dass der Arbeitsvertrag auf eine unbefristete Zeit abgeschlossen wurde.

Im Innenverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und entleihendem Unternehmen gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung des Leiharbeitnehmers mit den übrigen Arbeitnehmern des Entleihers. Danach hat der Leiharbeitnehmer folgende Rechte:

  • Anspruch auf eine Mindestvergütung, die im für das Entleihungsunternehmen geltenden Tarifvertrag festgelegt wurde.
  • Anspruch auf eine Ausgleichsabfindung nach der Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses, deren Umfang nach der Formel – 12 Werktage für jedes Arbeitsjahr – berechnet wird und
  • Recht auf denselben Gesundheits- und Arbeitsschutz wie die anderen Arbeitnehmer.

Verbot der Arbeitnehmerüberlassung

Die Arbeitnehmerüberlassung ist in folgenden Fällen verboten:

  • um Arbeitnehmer zu ersetzen, die das Streikrecht ausüben;
  • für Tätigkeiten, die eine besonders hohe Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit des Arbeitnehmers bedeuten;
  • wenn das Unternehmen in den vergangenen 12 Monaten die Zahl der Arbeitsplätze im Wege von Massenentlassung oder durch grundlose Kündigung reduziert hat;
  • der Arbeitnehmer auf eigene Initiative das Arbeitsverhältnis beendet hat, um als Zeitarbeitnehmer wieder eingestellt zu werden;
  • wenn die Arbeitnehmerüberlassung entlassene oder gekündigte Arbeitnehmer ersetzen soll und
  • um Arbeitnehmer an andere verleihende Unternehmen zu überlassen.

Der Vertrag zwischen Entleiher und Verleiher

Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag kann nur abgeschlossen werden, um bei zeitlich begrenzten Engpässen des Entleihers auszuhelfen. Grundsätzlich gilt in solchen Fällen:

  • Erfüllung einer Arbeit oder Erbringung einer Leistung, die, obwohl zeitlich begrenzt, im Prinzip eine unbestimmte Dauer hat;
  • unvorhergesehene Fälle durch Zunahme der Aufträge oder Anpassung an Markterfordernisse, wenn sie im Rahmen der normalen Tätigkeit des Unternehmens bleiben;
  • Ersetzung von zeitlich ausgefallenen Arbeitnehmern des Unternehmens, die einen Anspruch auf Bewahrung ihres Arbeitsplatzes haben und
  • zeitlich begrenzte Besetzung von festen Arbeitsstellen während der Dauer eines dauernden Auswahl- oder Beförderungsverfahrens.

Vor dem Abschluss des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages muss das Entleihungsunternehmen den Verleiher über folgendes informieren:

  • Beschreibung der Arbeitstätigkeit und der zu erwartenden Aufgaben;
  • berufsbedingte Risiken des Arbeitnehmers und
  • notwendige professionelle Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitnehmers.

Nach Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Zeitarbeitnehmer ist der Entleiher verpflichtet, binnen 10 Tagen die Gewerkschaft des Unternehmens über diesen Vertrag und die Gründe für die Einsetzung des Zeitarbeitnehmers zu informieren.

Der Überlassungsvertrag muss mindestens folgende Punkte enthalten:

  • Identität und Angaben zum Verleihungsunternehmen, eingeschlossen Handelsregisternummer, Gültigkeitsdauer der Genehmigung
  • Identität und Angaben zum Entleihungsunternehmen
  • klarer Hinweis auf den Abschlussgrund
  • Inhalt der Verpflichtungen des Arbeitnehmers und die notwendigen beruflichen Qualifikationen
  • mögliche berufsbedingte Risiken
  • Dauer des Überlassungsvertrages
  • Arbeitsort und Arbeitszeit
  • Arbeitslohn

Ausbildungsverträge in Spanien

Unter Ausbildungsverträgen (contratos formativos) versteht man in der Regel Praktikantenverträge (contratos de trabajo en prácticas) und Berufsausbildungsverträge (contratos para la formación).

Bei Vertragsabschluss ist in beiden Fällen darauf zu achten, dass die amtlichen Vordrucke der Arbeitsämter verwendet werden. Der Inhalt des Berufsausbildungsvertrages ist zudem innerhalb von zehn Tagen dem zuständigen Arbeitsamt mitzuteilen, andernfalls drohen Geldbußen zwischen 30,05 und 300,51 EUR.

Die Laufzeit eines Praktikantenvertrages darf nicht weniger als sechs Monate und nicht mehr als zwei Jahre betragen. Das Gleiche gilt für den Berufsausbildungsvertrag, jedoch kann dessen Dauer tarifvertraglich auf drei Jahre ausgedehnt werden, im Falle eines körperlich beeinträchtigten Auszubildenden auf vier Jahre. Ist für einen Praktikanten oder Auszubildenden die jeweilige Höchstzeit ausgeschöpft, darf er weder bei demselben noch bei einem anderen Arbeitgeber nochmals in dieser Eigenschaft beschäftigt werden. Der Arbeitgeber muss sich daher vor Vertragsabschluss beim Arbeitsamt (INEM) vergewissern, ob frühere Verträge bestanden. Erhält er innerhalb von zehn Tagen keine Auskunft, hat er seiner Pflicht genügt und darf den Vertrag eingehen ohne Sanktionen befürchten zu müssen.

Der Ausbildungsvertrag geht stillschweigend in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis über, wenn der Beschäftigte nach Ende der vereinbarten Laufzeit einvernehmlich weiterarbeitet. Dieselbe Folge tritt insbesondere dann ein, wenn der Ausbildungsvertrag nicht schriftlich geschlossen oder treuwidrig zur Umgehung von Arbeitnehmerschutzvorschriften eingegangen wurde. Als treuwidrig in diesem Sinne hat es die Rechtsprechung etwa angesehen, wenn mit einem Arbeitnehmer, der zunächst in Teilzeit beschäftigt war, anschließend ein Praktikantenvertrag abgeschlossen wird.

Die Anzahl der in einem Betrieb beschäftigten Auszubildenden kann tarifvertraglich nach oben begrenzt werden. Unbeschadet dessen existieren gesetzliche Höchstgrenzen, die sich an der Gesamtzahl der Arbeitnehmer in dem jeweiligen Unternehmen orientieren.

Als Auszubildender kann eingestellt werden, wer mindestens 16 und noch nicht 21 Jahre alt ist. Die Altershöchstgrenze gilt jedoch insbesondere nicht für behinderte Arbeitnehmer, für ausländische Arbeitnehmer während der ersten zwei Jahre der Gültigkeit ihrer Arbeitserlaubnis sowie für Langzeitarbeitslose, deren beschäftigungslose Zeit bereits mehr als drei Jahre beträgt.

Die Probezeit beläuft sich, unbeschadet anderweitiger tarifvertraglicher Übereinkunft, auf höchstens zwei Monate.

Die anteilige Zeit, die für die Ausbildung einzusetzen ist, beträgt mindestens 15% der tarifvertraglich vereinbarten bzw. gesetzlich bestimmten Höchstarbeitszeit.

Innerhalb eines Monats nach Ende der Ausbildungszeit hat der Arbeitgeber dem Auszubildenden eine Bescheinigung auszuhändigen, in der er diesem die Dauer der theoretischen sowie den Umfang der praktischen Ausbildung bestätigt. Diese Bescheinigung ist fünf Jahre lang beim Arbeitgeber aufzubewahren.

Betriebsübergang

Beim Betriebsübergang (sucesión de empresa) übergehen laut dem Gesetz auf den Erwerber des Unternehmens alle Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis. Das bezieht sich auch auf den Tarifvertrag, soweit er nicht abgelaufen ist oder ein neuer Vertrag abgeschlossen wurde. Der Betriebsveräußerer und Betriebserwerber haften als Gesamtschuldner für alle Forderungen des Arbeitnehmers im Moment des Betriebsüberganges. Nach dem spanischen Recht gibt es 3 Arten eines Betriebsübergangs:

  • Betriebsübergang zwischen den Lebenden, also durch den Vertragsabschluss
  • Betriebsübergang von Todes wegen und
  • Betriebsübergang im Wege der Zwangsversteigerung

Die Unterschiede in den Rechtsfolgen zwischen der ersten und zweiten Art des Betriebsüberganges können in bestimmten Fällen (z. B. bzgl. der Sozialversicherungsverpflichtungen des Unternehmens) bedeutend sein.

Dieser Beitrag ist nicht als Rechtsberatung zu verstehen

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Karl H. Lincke, Partner der Kanzlei, hat Rechtswissenschaften studiert und ist auf Mergers & Acquisitions, Gesellschaftsrecht und TMT spezialisiert. Arbeitssprachen: Spanisch, Deutsch und Englisch. Bitte zögern Sie nicht Karl Lincke zu kontaktieren, wenn Sie eine Anfrage diesbezüglich stellen möchten.