Initial Coin Offering (ICO) in Spanien

Der Begriff Initial Coin Offering (ICO) ist an den englischen Terminus Initial Public Offering (IPO) angelehnt. Die Bezeichnung IPO beschreibt den Börsengang eines Unternehmens. Indem Aktien einer breiten Masse von Anlegern angeboten werden, wird das Eigenkapital erhöht. IPO unterliegen strengen Vorschriften der Kapitalmarktregulierung.

ICO sind das „Tech“-Pendant zum IPO und werden neuerdings auf vielfältige Weise zur Unternehmensfinanzierung von Technologie-Start-ups eingesetzt, ohne dass es dazu zwingend einer Kapitalgesellschaft bedarf. Emittenten bieten anstelle Aktien sogenannte „Token“ an. ICO-Investoren spekulieren auf eine Wertsteigerung der Token in ihrem Besitz. Ob dies eintrifft hängt allerdings von der Bewährung der zugrundeliegenden Technologie ab.

ICO gewinnen stetig an Relevanz. Verglichen mit 60 Millionen Euro in 2016, wurden 2017 schon ca. 2,8 Milliarden Euro weltweit durch ICO, eingesammelt. In Spanien sind ICO bisher eine Seltenheit.

Funktion von Token

Insbesondere Entwickler von Kryptowährungen und Blockchain-Produkten umgehen mit ICO die traditionellen Kapitalmärkte. Wie auch bei klassischen Aktien, die Renditen durch Realisierung von Handelsgewinnen, Dividenden und Stimmrechte ermöglichen, variiert die Funktion von Token je nach ICO. In den häufigsten Fällen dient der ausgegebene Token als Währung für ein Kryptowährungsprojekt und verspricht Handelsgewinne durch Veräußerung, sollte es von Erfolg gekrönt sein. Diese Token-Gestaltung hat starke Parallelen zum klassischen Wertpapierhandel.

Allerdings geht die Funktion von Token häufig über die reine Handelbarkeit hinaus. Zum Beispiel konnten sich Investoren im Rahmen des DAO-Projekts, das eine Ethereum-Blockchain basierte digital selbstverwaltende Organisation ist, Stimmrechte kaufen. Andererseits haben Anleger weiterer Projekte die Möglichkeit Token als monetären Gegenwert zu verwenden. So bot der dezentrale Cloud-Anbieter Storj.io Token, die Investoren befähigten Cloudspeicher zu erwerben, also zukünftige Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.

Chancen und Risiken

ICO eröffnen aufstrebenden Technologieunternehmen Wege, sich unabhängig von Großinvestoren oder Venture Capital zu finanzieren. Zudem werden Gründer freier in der Gestaltung und Verwirklichung ihrer Vision, was Innovationen fördert. Schließlich kann gesteigerter Wettbewerb durch die Demokratisierung von Investitionen Oligopolbildung beschränken.

Nichtsdestotrotz bergen ICO erhebliche Risiken. Zum Beispiel besteht kein Schutz vor Verwässerung der bisherigen Anlegeranteile bei weiteren Token-Emissionen. Die Abwesenheit einschlägiger Regulierung mindert demnach den Anlegerschutz.

Die Prospektrichtlinie setzt in der EU Kapitalschwellenwerte für traditionelle IPO fest, die bei öffentlichen Angeboten Prospektpflichten (detaillierte Informationspflichten an die Anleger) auslösen. Da es bisher an vergleichbaren Transparenzvorschriften für das neuartige Finanzierungsmodell fehlt, besteht für den ICO-Anleger wenig Rechtssicherheit zur versprochenen Performance eines Projekts. Da Projekte meist nur auf dem Papier existieren, stellt sich die Frage nach Anlegerschutz umso dringender. Erschwerend kommt hinzu, dass der aktuelle Hype um IPO viele Gründer zur überstürzten Ausgabe von Token bewegt. Abschließend treten vermehrt Betrugsfälle um ICO auf und zunehmende Spekulation kann zur Blasenbildung führen.

Regulierung

Token fallen je nach ihrer Funktion unter verschiedene Regulierungsmechanismen, die das Ziel verfolgen angemessenen Anleger- und Verbraucherschutz sicherzustellen. Beispielsweise vertritt die US Securities and Exchange Commission (SEC) die Auffassung, dass ICO unter Wertpapiervorschriften fallen bzw. registrierungspflichtig sind, sobald sie zur Finanzierung auf einem öffentlich zugänglichen Markt eingesetzt werden. Token-Emittenten entgegnen, dass diese Definition zu kurz gegriffen sei, da Token weiteren Zweckmäßigkeiten dienen, wie beispielsweise der Nutzung der Technologie-Plattform, und deshalb nicht mit klassischen Kapitalmarktregelungen zu vereinen seien.

Trotz bisheriger Abwesenheit von spezifischer ICO-Regulierung in Spanien, sollten Emittenten die Funktion ihrer Token zumindest entsprechend den bestehenden Vorschriften ausrichten. Vielfältige Regulierungen sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung:

  • Sofern Anlegerrechte über die Gewährung zukünftiger Dienstleistungen hinausgehen, könnten je nach Gestaltung des Token nationale Kapitalmarktvorschriften in Spanien Anwendung finden
  • ICO erinnern an Crowdfunding, eine Form der Finanzierung durch eine Schar von Internetnutzern. Crowdfunding-Plattformen, die Dienstleistungen gegen Investitionen anbieten, sind vom entsprechenden Gesetz 5/2015 vom 27. April befreit. Jedoch könnten Emittenten deren Token aktienähnlich gestaltet sind, gemäß Art. 50 (1) (a) desselben Gesetzes, den Einschränkungen für Plattformen unterliegen
  • Bisher hielt sich die EU zur rechtlichen Einordnung von ICO bedeckt, was die Regulierung bis auf weiteres den Mitgliedstaaten überlässt. Nichtsdestotrotz könnten die aktuellen Kapitalmarktgesetzesänderungen (unter anderem die kommende Prospektverordnung und MiFID II) ICO harmonisierend beeinflussen.

Aaron Nourbakhsh & Karl H. Lincke

Dieser Beitrag ist nicht als Rechtsberatung zu verstehen

Karl H. Lincke, Partner der Kanzlei, hat Rechtswissenschaften studiert und ist auf Mergers & Acquisitions, Gesellschaftsrecht und TMT spezialisiert. Arbeitssprachen: Spanisch, Deutsch und Englisch. Bitte zögern Sie nicht Karl Lincke zu kontaktieren, wenn Sie eine Anfrage diesbezüglich stellen möchten.